1.Klesha „Avidya” – das, was wir vergessen haben
Avidya bedeutet Nichtwissen und umschreibt den Zustand der kosmischen Nichterkenntnis, also das nicht Begreifen dessen, was die Schöpfung umfasst. Tatsächlich haben wir vergessen, wer wir wirklich sind und dass wir eine unsterbliche Seele haben. Um dieses Klesha zu überwinden, geht es darum, sich zu erinnern, dass der Seele mit ihrer Anbindung an die feinstoffliche Welt alles materielle Hab und Gut gänzlich gleichgültig ist. Die Seele ist in ihrer Existenz gelassen und glücklich. Und der Verstand hat die Fähigkeit, zu erkennen und zu lernen, dass Teile seines Denkens Unsinn sind und Leid erschaffen. Halte deine Augen geschlossen und blicke mit den Augen eines Wesens aus feinstofflicher Dimension auf das Treiben auf der Erde. Ist es interessant, nachahmenswert oder wahnsinnig? Durch Yoga und Meditation kannst du deinen Geist klären, um Avidya in höheres Wissen, in Bewusstheit aus höherer Perspektive zu verwandeln… Kurzum: Einblick in das große Ganze zu erstreben und zu erfühlen.
„Unwissenheit bewirkt, dass wir Vergängliches für unvergänglich halten. So haften wir an Vergänglichem an, leben in Unfreiheit und können kein freies Lebensglück erfahren.” Patanjali, Sutra 2.5.
2.Klesha „Asmita” – das, mit dem wir uns identifizieren
Asmita bedeutet Ich-Gefühl und Ich-Identifikation, also etwas, das jedem Menschen innewohnt und in gewissem Maß überlebenswichtig und gesund ist. Asmita tritt jedoch als weiteres Hindernis zur bewussten Befreiung von Leid in Form von ausgeprägtem Egoismus auf. Wir identifizieren uns mit unserem Verstand, vielleicht auch mit dem Körper, aber wir sind auch Menschen des Herzens, des Mitgefühls und der Liebe. Auf die Frage „Wer bist du?” antworten wir meist mit Angaben zu Namen, Beruf und Besitz. Oder hast du schon einmal mit „Ich bin eine Seele, die auf Erden wandelt, in einem vitalen Körper wohnt und Freude am Leben hat” geantwortet? Asmita ist ein Hindernis auf dem Weg zu höherer Bewussheit – wenn uns nicht bewusst ist, womit wir uns identifizieren. Schließe die Augen und spüre deine Sein als Ganzes: Körper, Geist, Emotionen und deine unsterbliche Seele.
„Anhaftung an das unbewusste Ich führt zu falschem Verstehen und hindert uns an höherer Erkenntnis.”
Patanjali, Sutra 2.6.
3.Klesha „Raga” – das, was wir begehren
Raga ist ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum Erwachen und in unserer Lebenszeit brisanter denn je. Raga hat viele Bedeutungen: Anhaftung, Begierde, Leidenschaft, Emotion, Genuss, Stimmung. Auch bei diesem Klesha geht es nicht darum, emotionslos zu sein, wohl aber darum, das Maß aller Dinge im Auge zu behalten. Denn was wir maßlos begehren, bindet uns und verlangt stets nach mehr. Zwanzig tolle T-Shirts in tollen Farben verlangen ein einundzwanzigstes T-Shirt. Und wenn dies gekauft ist, ist die Freude darüber bald wieder verpufft… Die Sucht nach Freude und Genuss kann ebenso auf der Suche nach Bewusstheit hindern, wenn wir damit beschäftigt sind, von der Materie oder den Emotionen, die wir dabei empfinden, immer mehr haben zu wollen. Wenn wir uns von etwas angezogen fühlen, beherrscht es uns. Raga ist eine Spannung im Kopf, die letzlich zu Leid führt, wenn wir nicht mehr bekommen, was uns diese Freude machte. Und wer kann schon meditieren, wenn man an Power-Shopping von T-Shirts denkt? Um dieses Klesha zu überwinden, ist der Ausweg aus der Abhängigkeit bewusste Reflexion über das, an was wir uns binden und warum. Ist es vielleicht die Suche nach Glück selbst? Wenn ja, wo liegt dieses Glück? Im Äußeren oder im tiefen Inneren? Spüre in dich hinein, wie fühlt sich Glück für dich an und wo kannst du es spüren, innen oder außen?
„Begierde entsteht aus freudvollen Erfahrungen. Im Zustand der Unbewusstheit ist die Sucht nach Glück unersättlich.” Patanjali, Sutra 2.7.
4.Klesha „Dvesha” – das, was wir ablehnen
Dvesha bedeutet Ablehnung, Abneigung – ohne Zweifel werden hier Anhaftungen und Emotionen beschrieben, die unfassbar viel Lebensenergie verschlingen und unbewusste Menschen gänzlich von einem Weg zur Freiheit und Glück abbringen können. Dvesha erwächst ebenfalls aus der Sehnsucht nach Liebe und Vollkommenheit, also etwas, das jede Seele vor und zwischen ihren körperlichen Reinkarnationen im mehrdimensionalen Raum erlebt und von dem die Seele weiß, dass es real existiert. Der Mensch mit Körper und Geist im unbewussten, nicht wissenden Zustand, sucht im Lebenszyklus auf Erden nach diesem unendlichen Wohlgefühl der Liebe und Vollkommenheit. Das führt dazu, dass man neidisch auf Personen oder Menschengruppen blickt, die diese göttliche Liebe scheinbar gefunden haben. Auf diese Weise entsteht Missgunst unter Nachbarn oder Kollegen – man lehnt sie ab, weil sie harmonisch und glücklich sind. Wen oder was lehnst du ab? Schließe kurz deine Augen, atme und mache dir deinen Bauchraum bewusst. Dann denke an jemanden, der dich aus deiner Sicht emotional verletzt oder aus anderen Gründen wirklich wütend gemacht hat. Spürst du die verschlingende dunkle Energie in deinem Bauch? Egal wie lange die Begebenheit her ist, sie treibt dich immer noch an, ist ein Teil von dir und blockiert dich. Hülle das Ereignis in rosafarbenes Licht, atme die Energie aus und bitte das Universum, deine Dveshas aufzulösen.
„Unglückliche Erfahrungen führen, so der Geist nicht geklärt wird, zu unbegründeten Abneigungen.”
Patanjali, Sutra 2.8.
5.Klesha „Abhinivesha” – das, was uns Angst macht
Abhinivesha wird aus dem Sanskrit recht unterschiedlich übersetzt. Es kann Anhaften am Leben, Lebenswille oder Instinkt bedeuten. Egal welche Übersetzung man wählt, die Folge dieser inneren (Ver-)Spannung, die im unbewussten Zustand erlebt und ausgelebt wird, ist Angst. Angst vor Arbeitslosigkeit, Alleinsein, nicht anerkannt zu sein etc. Diese Varianten von Angst und Sorgen sind in unserer Zeitepoche und in dem System, in dem wir leben, die Triebfedern für alles. Du bist out, wenn du nicht das T-Shirt in der neuesten Trendfarbe trägst. Vielleicht bis du sogar out, wenn du nicht für deine Gesundheit Yoga-Asanas übst? Ganze Wirtschaftszweige existieren aufgrund von Ängsten der Menschen. Warum? Weil hinter allen neuzivilisatorischen Ängsten die Angst vorm Tod steht.
Lass uns dazu folgende Übung machen:
Du kannst dir vorstellen, dich ins Unbekannte fallen zu lassen. Visualisiere, wie es sich anfühlt, wenn alles Materielle um dich herum inklusive deines grobstofflichen Körpers sich auflöst. Mit der Zeit wirst du spüren, dass du trotzdem noch da bist. Erinnere dich, was du vergessen hast. Eine unsterbliche Seele zu sein. Genau das ist es, was Savasana bewirken will und kann: Verweile entspannt in Rückenlage, lasse dabei deinen Körper unbewegt und lasse alles Irdische los, sowie alle Identifikation mit der grobstofflichen Materie. In diesem Moment tiefer Entspannung und vollkommener Gelassenheit lösen sich alle alltäglichen Sorgen und Ängste auf.
„Schließlich wird ein Zustand erreicht, in dem sich das Handeln eines Menschen nicht mehr auf Kleshas gründet.” Patanjali, Sutra 4.30
Und wenn der Kopf endlich nicht mehr verspannt ist, und das Gefäß des Körpers leer von allen Kleshas ist, dann entsteht Freiraum für höheres Bewusstsein. Nun kann das Licht der Urquelle in dich hineinströmen, kann dich umhüllen und wird dich in Liebe tragen.
„Die Praxis von Yoga und Meditation führt in einen Zustand vollkommener Freiheit.” Patanjali, Sutra 4.26
Deshalb mein Vorschlag an uns: ziehen wir unseren Rucksack aus Erfahrungen, Hindernissen und Kleshas aus und lassen ihn liebevoll vom Universum entsorgen. Patanjalis Weisheiten, Empfehlungen zu Meditation und Yoga sind vor rund 2.500 Jahren entstanden. Nach so langer Zeit können wir einen Bewusstheitssprung und finalen Schritt in die Freiheit wagen. Wir schaffen das!
Love and Light, Tanja